Silicon Valley, das Tal wo die Zukunft entsteht


Silicon Valley ist ein kleines Tal in der Nähe von San Francisco, in dem sehr viele globale Technologie-Unternehmen ihren Sitz haben. Dort wird ein Start-up nach dem anderen gegründet. Viele dieser Unternehmen bieten sehr schnell ihre Produkte und Services global an. Manche sind echte globale Riesen und beherrschen große Teile der digitalen Wirtschaft. Silicon Valley ist unbestritten die Schmiede der Innovation, dort werden die Technologien der Zukunft konzipiert, kreiert und mit Erfolg weltweit angeboten. Wir alle, Bewohner der digitalen Welt und im zunehmenden Ausmaß auch diejenigen, die noch eher in der realen Welt leben, nutzen sie täglich. Viele von uns können sich ein Leben ohne diese Services und Apps gar nicht vorstellen. In Silicon Valley wird emsig, fast rund um die Uhr, an einer digitalen Zukunft gearbeitet. Wie wird diese Zukunft aussehen? Hier die Antwort von Christoph Keese, einem deutschen Journalisten, der einige Monate dort gelebt und recherchiert hat:

“Im Internet der Zukunft, einem Internet, das jedes Lebewesen, jeden Heizkessel, jeden Fernseher, jedes Marmeladeglas und jedes Auto einbinden wird, in dem sogar der Straßenasphalt eine Art elektronisches Bewusstsein bekommt, in diesem utopischen, aber gar nicht mehr fernen Internet wird alles eins werden: die Menschen, die Dinge, die Sensoren, die Server, die Dateien, die Zustände, die Zeiten, die Möglichkeiten. Alles wird immer online und immer gleichzeitig überall sichtbar sein.”

Was ist aber so besonders an diesem Tal, dass Innovation gerade dort so konzentriert entsteht und die dortigen Firmen so erfolgreich sind? Warum entstehen dort und nicht woanders globale Services und moderne Technologien?
Auf diese und viele weiteren Fragen gibt Christoph Keese ausführliche Antworten in seinem Buch “Silicon Valley”. Dieses Buch gibt tiefe Einblicke in die Funktionsweise von Silicon Valley - dem Tal, in dem unsere Zukunft entsteht. Keese verbrachte dort fast ein Jahr und in dem Buch schildert er, was dieses Tal so anders macht und warum gerade dort Innovation entsteht.

Die Zukunft baut auf Ideen, Talenten und Kapital auf
Für die Entwicklung von innovativen Technologien und “disruptiven” Businessprozessen benötigt man einige Visionäre und viele talentierte Techniker und Ingenieure. Der globale Erfolg der durch diese kreativen Köpfe konzipierten Produkte, Services und Plattformen ist aber nur mit großen Investitionen möglich. Und eben das Alles (kreative Ideen, Talente, Gründer und Wagniskapital) ist in Silicon Valley reichlich vorhanden und wird nahezu perfekt zusammen vermischt.
Die Stanford Universität, einer der besten Universitäten der Welt, bietet unzählige neuartige Ideen und zieht junge, sehr talentierte Menschen aus der ganzen Welt an.

“Unternehmergeist ist auch in Stanford sehr wichtig und wird Studenten beigebracht. Probleme zu erkennen und zu lösen - das ist der Kern jedes Unternehmen. Suche ein reales Problem dann stehst du von einer realen Marktchance. Stelle alle bisherigen Annahmen in Frage dann bist du auf dem richtigen Weg.”

Die Universität bietet sehr viele Gelegenheiten für einen freien, ungezwungenen Austausch der Ideen. Sie sorgt dafür, dass Studenten so viele Möglichkeiten für direkten Kontakt und Gruppenarbeit haben wie nur möglich. Die gleiche Strategie befolgen Start-ups und auch schon erfolgreiche globale Unternehmen. Die Studenten sollen schnell lernen selbst zu denken und neue Lösungsansätze für diverse Herausforderungen generieren. In einem ständigen Diskurs werden diese Ideen kritisch betrachtet und dann verbessert, optimiert oder verworfen. Alles soll ungezwungen und ohne strenge Regeln und Einschränkungen geschehen. Dieser besondere Geist ist extrem wichtig für die Entstehung von Innovation wie es Christoph Keese schreibt:

“Innovation entsteht durch den freien, ungehemmten Austausch von Menschen auf kleinstem Raum. Physische Nähe ist so wichtig wie die Abwesenheit von allzu strengen Regeln. Räumliche Distanz behindert Kreativität, ebenso wie steifer gesellschaftlicher Umgang oder soziale Konvention. Vorschriften töten Ideen. Menschen werden kreativ, wenn sie beruflich so arbeiten dürfen, wie sie privat leben. In Silicon Valley ist die persönliche Anwesenheit Pflicht und virtuelle Kommunikation verpönt. Das Tal pflegt einen extremen Kult der Nähe. Das Zentrum der virtuellen Welt hasst nichts mehr als virtuelle Kommunikation.”
“Offenheit gegenüber den anderen, Fremden, Ausländer, anderen Ideen und Kulturen ist im Tal stark ausgeprägt. Aber auch über geplante Produkte und Vorhaben wird während der Realisierung offen mit anderen Gesprochen. Neue Ideen werden kommuniziert, um die Meinung der anderen einzuholen und sie dann zu verbessern. Selbst das Sprechen von den neuen Vorhaben hilft, die Ideen präziser zu formulieren und sie besser zu verstehen.”

Man ist in Silicon Valley überzeugt, dass es für alle Probleme der Welt eine gute technologische Lösung gibt. Technologie ist in Silicon Valley extrem wichtig, fast wie eine Religion, und das Sagen in den meisten Firmen haben die Techniker. Die Gründer sind sehr oft exzellente Techniker. Sie wollen die Welt verändern, sie glauben fest daran, dass sie für eine bessere Welt hart arbeiten.

“Silicon Valley wird von Technikern beherrscht. Leidenschaftliche Ingenieure oder Naturwissenschaftler gehen anders zu Werke als die Betriebswirte. Das Produkt als solches fasziniert sie. Sie wollen optimale Lösungen schaffen. Sie verlieben sich in ein Thema. Sie denken vom Produkt her, nicht vom Finanzergebnis.”

Auf der anderen Seite ist in Silicon Valley viel Risikokapital vorhanden. Die Investoren sind bereit, den talentierten Gründern mit ihren neuartigen Ideen Geld für die Erstellung erster Prototypen zu geben. Bei Aussicht auf Erfolg finanzieren sie auch den Aufbau eines globalen Präsenz. Investoren sind dabei bereit, recht großes Risiko auf sich zu nehmen. Für die Gründer ist es also dort nicht besonders schwierig ans Geld zu kommen. Die Finanzierung der jungen Start-ups ist inzwischen sehr professionell organisiert. Dabei achten die Investoren sehr stark auf die Rechte der Gründer.

“Die Gründer dürfen bei den Finanzierungsrunden ihren prozentualen Anteil behalten, ohne in die Kapitalerhöhung einzuzahlen. Die Investoren sind der Meinung, dass das Interesse der Gründer an dem finanziellen Erfolg der Firma es wert ist. Die Investoren verlangen auch denkbar geringe Mitspracherechte. ”Entweder ist das Team gut, dann braucht es unseren Rat nicht. Oder das Team ist nicht gut, dann sollten wir gar nicht investieren“ sagen Investoren.”


Schattenseite des Erfolgs
Silicon Valley ist unbestritten ein großer Erfolg. Es sind dort sehr viele innovative Unternehmen entstanden, die hervorragende, globale Produkte, Services und Plattformen anbieten. Sie haben viele Probleme dieser Welt durch Einsatz modernster, Daten-basierender Technologien gelöst. Aber ist wirklich alles so toll in Silicon Valley? Kann man wirklich alle Probleme dieser Welt mit Hilfe von Technologie lösen?
Leider nein. Silicon Valley ist eine tolle Gegend für extrem talentierte, junge Leute. Diese Leute schaffen dort zwar ein einmaliges Klima für Innovation und neue Ideen. Es herrscht dort Toleranz und man kann dort gut leben. Aber nur wenn man hoch begabt ist. Die Mittelklasse und sogar die weniger Talentierten werden von Silicon Valley verdrängt. Die Lebenskosten sind dort extrem hoch, die öffentliche Infrastruktur sehr schlecht. Es gibt dort auch sehr wenige Arbeitsplätze für die Mittelklasse. Die innovative Technologie benötigt nicht so viele Arbeitskräfte wie die klassische Industrie. Die Mittelklasse wandert aus dem Tal aus. Die innovativste Technologie der Welt, die den Anspruch erhebt, alle gesellschaftlichen Probleme dieser Welt zu lösen, kann nicht einmal die lokalen Probleme in Silicon Valley lösen. Probleme, die sie selbst verursacht hat.
Wie schaut es dann mit der Lösung der globalen Probleme? Tatsache ist, dass die Unternehmen aus Silicon Valley sehr schnell den Zeitgeist erkannt haben. Sie erkannten die Ankunft der digitalen Revolution. Sie erkannten, dass in Zukunft nur Information einen Wert haben wird.

“Was in Zukunft einen Wert haben wird ist Information. Die Konzerne aus dem Tal werden immer mächtiger und saugen Geld aus der ganzen Welt nach Kalifornien. Es ist vielleicht nur noch eine Frage der Zeit, bis die deutsche Telekom von Facebook, die deutsche Post von Amazon und Volkswagen von Google übernommen wird. Dann werden auch die Deutschen verstehen, dass Telefone, Pakete und Autos bedeutungslose Vehikel sind und es nur noch auf die Daten ankommt, die sie produzieren.”

Der Gewinner nimmt alles
Die Zukunft wird digital sein. Alles wird durch zentrale Plattformen gesteuert und beherrscht, wo Wissen aus der Unmenge der Daten durch intelligente Algorithmen erzeugt wird. Globale Firmen aus dem Tal erkannten das sehr rasch und begannen an Lösungen für diese neue digitale Zukunft zu arbeiten. Sie “vernichten” mit ihrer “disruptiven” Technologie und Businessprozessen einen klassischen Wirtschaftszweig nach dem anderen. Damit gehen auch die traditionellen Jobs verloren. Wird das digitale Business genügend Arbeitsplätze für alle Leute generieren, die gerade ihren Job verlieren? Kümmern sich die Weltverbesserer aus Silicon Valley überhaupt darum?
Leider nicht. Inzwischen beherrschen einige wenige Firmen aus dem Silicon Valley Monopol-artig das digitale Business. Globale Digitalisierung schafft ein exzellentes Umfeld für die digitalen Monopole - der Gewinner nimmt alles. Wer die meisten Daten hat, der zieht weitere Kunden stark an. Wer die Plattform mit den meisten Kunden hat, der zieht weitere Kunden magisch an und die Konkurrenz hat keine Chance. Die Netzmonopole entstehen viel schneller als in der realen Wirtschaft dank der Globalisierung, riesigen Mengen an Daten und dem Netzeffekt - jeder neue Kunde eines Netzmonopolisten ist von Vorteil für die bestehenden Kunden; für ihn macht es auch Sinn dort zu gehen, wo schon die anderen sind. Die Konkurrenz hat kaum Chancen, den Vorsprung der Platzhirsche einzuholen.

“Grenzenlose Freiheit führt im Netz zum Gegenteil. Freiheit im Internet fördert den Netzwerkeffekt, der Netzwerkeffekt erzeugt Netzmonopole, und Netzmonopole mindern die Freiheit - dieser Wirkungskreislauf dreht sich in rasender Geschwindigkeit.”

Professor Shoshana Zuboff:

“Google ist dabei ein neues Reich zu errichten, dessen Stärke auf einer ganz anderer Art von Macht basiert - allgegenwärtig, verborgen und keiner Rechenschaft pflichtig. Falls das gelingt, wird die Macht dieses Reiches alles übertreffen, was die Welt bisher gesehen hat. Google ist absolutistisch.“

Was kann man dagegen tun? Wie kann man die Bildung der Datenmonopole verhindern?
Eines ist sicher. Dieses Phänomen kann man nicht mit regionalen Gesetzen und Regulierungen in Griff kriegen. Datenmonopole der digitalen Welt sind globale Erscheinungen, die mit nationalen Gesetzen kaum zu bändigen sind. Wir müssen also auch die globalen, regulativen Kontrollen schaffen, mit denen die Macht dieser Datenriesen eingeschränkt wird und Chancen für mehr Wettbewerb entstehen. Zu mindestens müssen diese Kontrollmaßnahmen europäisch sein. Da die Zukunft durch Algorithmen beherrscht wird, müssen eben die Algorithmen kontrolliert werden.

„In Zukunft muss Gerechtigkeit durch die Regulierung und Kontrolle der Algorithmen sichergestellt werden. Das ist die Aufgabe der Gesetzgeber.
Die Regulierung findet meistens innerhalb nationaler Grenzen statt. Die globalen Konzerne werden dadurch nicht erfasst.“

Es ist also höchste Zeit, dass die Regierungen, die für die lokale Wirtschaft schädlichen regulativen Bestimmungen abschaffen und durch die für das digitale Zeitalter adäquate Methoden ersetzen. Es ist auch an der Zeit, zu begreifen, dass die analoge Welt der Vergangenheit gehört. Es ist höchste Zeit sich mit der Zukunft zu beschäftigen. Und die Zukunft ist digital!

“In Regierungen und Parlament wird über winzige Details der analogen Arbeitswelt gestritten, während der digitale Arbeitsmarkt die Welt verändert.”

Das Buch von Christoph Keese ist nicht nur spannend und sehr gut geschrieben. Es sollte der letzte Weckruf für Europa sein, wenn wir nicht ganz auf die Gestaltung der digitalen Zukunft verzichten und als digitale Peripherie in die Bedeutungslosigkeit versinken wollen.

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